SIFO-Workshop zum BMBF-Innovationsforum

Kommunale Krisenfestigkeit und Resilienz mit SIFO-Projekten

Im Rahmen des BMBFInnovationsforums »Zivile Sicherheit« 2024 veranstalteten wir einen zusätzlichen Workshop mit gut fünfzig Teilnehmenden. Ziel war ein direkter Austausch zwischen Forschungsprojekten aus dem SIFO-Programm und potenziellen Anwenderinnen und Anwendern in Kommunen, Industrie und BOS.

Thematische Diskussionen

Die vertretenen Forschungsprojekte waren in drei Gruppen zusammengefasst. Nach einer Begrüßung durch das BMBF, vertreten durch Sabine ten Hagen-Knauer, fand eine von Kai Fischer moderierte Kurzvorstellung der Projekte und ihrer Ergebnisse statt.

Im Anschluss folgten drei ausführliche Diskussionsrunden mit kommunalen Entscheidungsträgerinnen sowie Vertretern der BOS statt, um direkt Meinungen und Anmerkungen der angezielten Nutzerschaft einzuholen.

(1) Gefährdung und Konsequenz

Vorgestellt und besprochen wurden hier die Projekte

Der Mehrwert der Projekte wurde gesehen in

  • einer schnelleren Reaktionsfähigkeit der Kommunen durch ein vollständigeres Lagebild sowie
  • dem langfristigen Sammeln von Informationen (sowohl zur Verhinderung von Krisendemenz als auch zum Lernen aus der Vergangenheit).

Betreffs der tatsächlichen Anwendung der Projektergebnisse ergaben sich folgende Punkte:

  • Definition der genauen Zielgruppe (Leitstelle, Einsatzkräfte, Stadtverwaltung, …)
  • Übertragbarkeit der für bestimmte Kommunen erarbeiteten Ergebnisse auf andere Städte bzw. Regionen sowie auf ländliche Räume, wo Krisenmanagement-Netzwerke bisher oft nicht formalisiert sind
  • Integration in bestehende Infrastrukturen
  • Verfügbarkeit der Ergebnisse für weitere Akteure wie z. B. Hilfsorganisationen
  • Möglichkeiten des präventiven Zugangs zu als vulnerabel klassifizierten Gruppen
  • Zeitliche Begrenzung der Projekte vs. langfristige Finanzierung der notwendigen Infrastruktur
  • Dateninfrastruktur, -souveränität, -schutz
  • Verwendung von KI in Krisenstäben
  • Einbindung von nicht frei zugänglichen Datensätzen (z. B. Kanalnetze)

(2) Gesellschaftliche Verwundbarkeit

Für diesen Themenkomplex wurden die Projekte

  • MIRKKOMM (Poster, vertreten durch Annett Schulze und Hans-Jürgen Bucher) und
  • PsychoKat (Poster, vertreten durch Sebastian Sterl und Lea Malcharczyk)

als Diskussionsgrundlage präsentiert.

Einerseits ging es dabei um Erfahrungen mit Verwundbarkeit in Krisen, etwa

  • den Umgang mit widersprüchlichen oder falschen Informationen,
  • Umformung von erfassten Daten in direkt für Handlungsentscheidungen verwendbare Informationen,
  • die Verwendung intuitiver psychosozialer Lagebilder,
  • Fragen der Zuständigkeit und allgemeinen Organisation,
  • ein- vs. zweiseitige Kommunikation,
  • Infodemie durch Soziale Medien,
  • Glaubwürdigkeitsprobleme sowie
  • die Identifikation vulnerabler Bevölkerungsgruppen.

Andererseits wurden hierauf aufbauend Strategien zur Steigerung der (gesellschaftlichen) Resilienz diskutiert, zum Beispiel

  • Vorab-Absprachen zu Zuständigkeiten im Krisenmanagement,
  • Berücksichtigung des Krisentyps: Unterschiede in Dauer, Handlungsdruck, Betroffenen usw.,
  • Standardisierung von Kommunikation und Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Funktion und Aufbereitung von Botschaften,
  • Untersuchungen zum Mediennutzungsverhalten und zur Eignung verschiedener Kanäle für verschiedene Botschaften und verschiedene Zielgruppen,
  • Kombination kognitiv-rationaler und sozial-emotionaler Kommunikation,
  • Berücksichtigung der Medienlogik der verschiedenen Kommunikationskanäle,
  • Messung der Reichweite von Kommunikation (z. B. auf Social Media),
  • Erfassung von Stimmungsbildern,
  • Grundsätze zur Datensammlung und ‑verarbeitung sowie
  • Aufbau und Nutzung von Ressourcen (auch Personal) und (smarter) Infrastruktur.

(3) Datenverfügbarkeit, Datenvernetzung und Datentransfer

Diskussionsgrundlage bildeten hier die Projekte

Für den Praxistransfer werden als relevant gesehen

  • die Unterstützung des Katastrophenschutzes im digitalen Bereich,
  • das Greifbar-Machen von Projektinhalten durch Demonstratoren,
  • die Einbindung der Bevölkerung (z. B. durch Messenger),
  • die Integration in bestehende Software-Infrastruktur,
  • die Überführung von Projektergebnissen in die Anwendung (zum Projektende) — am besten in direkter Zusammenarbeit mit Kommunen,
  • regionale Lösungen für regionale Probleme,
  • die Integration von Projektergebnissen in die nationale Resilienz-Strategie.

Forschungsbedarf besteht aus kommunaler Sicht insbesondere in Bezug auf

  • die Quantifizierung finanzieller Folgen von Krisen,
  • die Übertragbarkeit internationaler Forschung auf deutsche Kommunen,
  • Querverbindungen zwischen Forschungsprojekten,
  • zukünftige Bedrohungen und
  • einen Beitrag zur nationalen Resilienz-Strategie.

Berücksichtigt werden sollten

  • regionale Eigenheiten (Stichwort Föderalismus),
  • die Entwicklung und Verwendung von Schnittstellen zur Digitalisierung des Bevölkerungsschutzes,
  • der Datenschutz,
  • kommunaler Informationsbedarf zu Resilienz-Themen (z. B. Lieferketten) — und zwar frühzeitig,
  • die Bereitstellung notwendiger juristisch relevanter Informationen (z. B. bei freiwilligen Helfenden) und
  • die Notwendigkeit klarer Kostenmodelle.

Im Hinblick auf Daten wurde Bedarf festgestellt bei

  • einem Überblick über verfügbare Datenquellen (mit dem Wunsch nach niedrigen Zugangshürden insbesondere für BOS) und
  • der frühzeitigen Bereitstellung von Lagebildern für die Kommunen durch den Bund.

Ein Mehrwert der  diskutierten Projekte wurde gesehen in

  • der Entscheidungsunterstützung durch KI-Prognosen,
  • konkreten Möglichkeiten zur Verwertung von Projektergebnissen,
  • einem einfachen Einstieg bei bzw. durch Barrierefreiheit.

Podiumsdiskussion

Im Anschluss an eine Kurzzusammenfassung der thematischen Diskussionsrunden führten die Vertreterinnen der Kommunen — hier repräsentiert durch Helga Jäckel und Renate Häuslschmid für die Städte Berlin und Freiburg — aus, dass

  • vor Ort schon verschiedene Lagebilder vorhanden sind, was die Einbindung zusätzlicher Informationen vereinfachen dürfte,
  • hierfür aber unbedingt passende — möglichst standardisierte — Schnittstellen existieren (oder geschaffen werden) müssen,
  • personelle und finanzielle Engpässe die Digitalisierung und damit auch die Einbindung von Projekten teils deutlich verlangsamen,
  • behördenübergreifend ein Daten- und Systemblick gefördert werden sollte.

Zur Kommerzialisierung von Resilienz-Anwendungen ist zudem ein Zusammenspiel von Forschung und Unternehmen essenziell. Herausforderungen sah Gudrun Menze als Vertreterin der freien Wirtschaft hier insbesondere darin, dass

  • Resilienz kein eigener Anwendungsmarkt, sondern eine Querschnittskompetenz ist,
  • die Zielkundschaft sehr divers ist und
  • die Zuständigkeiten für Sicherheit und Finanzen bei unterschiedlichen Akteuren liegen.

Abschließend äußerte das Panel auf Aufforderung des Moderators Daniel Hiller noch Zukunftswünsche, insbesondere

  • eine etablierte Wissensplattform für kommunales Krisenmanagement,
  • die Bereitstellung notwendiger Finanzmittel durch den Bund,
  • die Erfassung von Daten auch während Krisen sowie
  • einen allgemeinen Mentalitätswandel im Hinblick auf den Themenkomplex »Sicherheit und Resilienz«.

Wir bedanken uns herzlich bei allen Teilnehmenden!

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